Sanieren in Serien

Neue Ansätze für die serielle Sanierung im Bestand sollen die Kosten für die Überholung zum klimaneutralen Gebäude erheblich senken.

Mehrfamilienhäuser in wenigen Wochen kostengünstig auf Nullenergiestandard trimmen – darauf zielt die Initiative „Energiesprong Deutschland“ ab, die das serielle Sanieren in Deutschland vorantreiben soll. In den kommenden Jahren werden verschiedene Prototypen mit industriell vorgefertigten Elementen saniert, um die Lösungen zur Marktreife zu führen. Die Koordination des Projekts liegt bei der Deutsche Energie Agentur (dena).

Kristina Zimmermann, Themengebietsleiterin Energieeffiziente Gebäude bei der dena, über die neuen Möglichkeiten.

 

Was kann das Projekt „Serielle Sanierung von Mehrfamilienhäusern“ leisten?

Kristina Zimmermann: Es soll vorrangig die Wärmewende voranbringen. Bis 2050 strebt die Bundesregierung einen klimaneutralen Bestand von 18 Millionen Wohngebäuden an, dafür muss die aktuelle Sanierungsquote allerdings verdoppelt werden. Die serielle Sanierung mit vorgefertigten Materialien kann dies unterstützen, der Markt bietet inzwischen die dafür nötigen Technologien und Prozesse. Das sogenannte Energiesprong-Prinzip soll den Nullenergiestandard für alle bezahlbar machen.

 

Wie läuft die serielle Sanierung ab?

Zimmermann: Das Gebäude wird zuerst vermessen, zum Beispiel mit einem 3D-Laserscanner. Die so gewonnenen Daten fließen in die digitale Fertigungsplanung. Im Werk werden danach Fassaden- und Dachelemente präzise vorgefertigt – samt Fenstern, Dämmung, Putz und Photovoltaik-Modulen. Die Elemente müssen auf der Baustelle anschließend nur noch montiert werden. Das reduziert die Bauzeit, den Personalaufwand sowie den Lärm und Schmutz vor Ort und steigert die Qualität.

 

Und eröffnet ein großes Potenzial für Kostensenkung?

Zimmermann: In den Niederlanden setzt man seit mehreren Jahren für Einfamilien- und Reihenhäuser die Energiesprong-Sanierung um. Bereits für 5.000 Gebäude wurde das Prinzip dort angewendet. Der Rekord für die Arbeiten auf der Baustelle eines Einfamilienhauses liegt bei einem Tag, die Kosten sind um 40 Prozent gesunken. Wir stehen mit unseren Pilotprojekten noch am Anfang, müssen erst Erfahrungen sammeln und Skaleneffekte erreichen. Bis dahin unterstützen Förderprogramme der KfW sowie der EU die Projekte. Mit der aktuellen Aufstockung für das KfW-Effizienzhaus 55 können Wohnungsunternehmen nun viele Mehrfamilienhäuser wirtschaftlich auf NetZero-Standard bringen – und das bei allenfalls moderaten Erhöhungen der Warmmiete. Unser Ziel ist es, dass mit den Erfahrungen aus den ersten Projekten, Innovationen und kontinuierlichen Verbesserungen des Bauprozesses die Baukosten schrittweise gesenkt werden können und so warmmietenneutrale Sanierungen möglich und breitenmarktfähig werden.

 

Welche Gebäude hat man in Deutschland vorrangig im Blick?

Zimmermann: Wir fokussieren uns im ersten Schritt auf kleinere Mehrfamilienhäuser, die in den 1950er bis einschließlich 1970er Jahren in einfacher Bauweise errichtet wurden und einen hohen Energieverbrauch von mindestens 130 kWh jährlich pro Quadratmeter haben. In diese Kategorie fallen in Deutschland gut 500.000 Gebäude. Sukzessive sollen später auch Pilotprojekte für Einfamilienhäuser, Gebäude mit mehr als vier Stockwerken oder Nichtwohngebäude aufgesetzt werden. Grundsätzlich eignet sich der serielle Ansatz vor allem für einfache Fassaden, Stuck verzierte und denkmalgeschützte Gebäude erfordern weiterhin die handwerkliche Sanierung vor Ort.

 

Wann wird die serielle Sanierung breit einsetzbar sein?

Zimmermann: Das erste Pilotprojekt in Hameln, ein Gebäude der arsago Gruppe, das von dem Komplettlösungsanbieter ecoworks saniert wird, wird im Frühjahr 2020 abgeschlossen sein. Die Lösung ist also da und kann eingesetzt werden. In den nächsten vier Jahrensollen insgesamt 12.000 Wohneinheiten der derzeit 22 teilnehmenden Wohnungsunternehmen seriell saniert werden. Dafür arbeiten wir eng mit vier Lösungsanbietern und zahlreichen Komponentenherstellern zusammen. Um in die Breite zu kommen, brauchen wir aber noch mehr Bauunternehmen, die serielle Energiesprong-Sanierungen als ein Gesamtprodukt anbieten. Nicht nur in den Niederlanden, sondern auch und Großbritannien und Frankreich wurde das Prinzip bereits intensiv umgesetzt, auf diesem Know-how können wir aufbauen. So wird das serielle Konzept allmählich aus der Pilotphase rauswachsen und in Deutschland breit anwendbar sein.

 

 

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