„Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander“

Knappe Handwerker und Engpässe bei Baumaterialien lassen die Kosten der energetischen Sanierung weiter steigen und behindern die Energiewende.

 

 

Klimaneutralität bis zum Jahr 2045, so lautet mittlerweile die Marke für Deutschland, die auch Hamburg erreichen möchte. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Gebäudebestand, der bis dahin ebenfalls nahezu klimaneutral sein soll. Dafür müssen die erneuerbaren Energien für die Wärmeversorgung rasch ausgebaut und Gebäude energieeffizient saniert werden. Ohne genügend Handwerker und erschwingliche Baustoffe wird das allerdings schwierig.

Lars Beckmannshagen, Teamleiter beim Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt (ZEBAU) in Hamburg, über Klippen, die derzeit den Weg zur Energiewende zusätzlich erschweren.

 

Deutschland will bis zum Jahr 2045 klimaneutral sein. Wie stehen die Chancen, dass die rasante Energiewende im Gebäudebestand gelingt?

Lars Beckmannshagen: Wunsch und Wirklichkeit liegen derzeit weit auseinander. Es bleibt also noch viel zu tun. Der Blick zurück zeigt, dass wir künftig einfach schneller vorangehen müssen. Im bisherigen Tempo lassen sich die Ziele jedenfalls nicht rechtzeitig erreichen.

 

Heizen und Warmwasser sind wichtige Stellschrauben für den Energieverbrauch eines Gebäudes. Eigentümer stehen bei der Sanierung vor der Frage, auf welche Technologien sie setzen sollen. Wozu raten Sie?

Beckmannshagen: Die Entscheidung hängt immer von den individuellen Gegebenheiten ab. Grundsätzlich eröffnet das Fernwärmesystem in Hamburg, welches bis 2030 sukzessive auf regenerative Energien umgestellt wird, eine einfache Lösung für viele Gebäude in zentralen Lagen. Im Umland bieten Wärmepumpen eine Alternative, wenn das Haus gut gedämmt ist. Für unsanierte Gebäude eignet sich auch eine Gashybridheizung, die etwa Gas und Solarthermie kombiniert. Darüber hinaus gibt es inzwischen einige marktreife Brennstoffzellenheizungen, die gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen – die Entwicklung ist aber noch nicht abgeschlossen.

 

Wer eine neue Heizung möchte, braucht Handwerker, die sie einbauen. Qualifizierte Fachkräfte sind derzeit aber Mangelware.

Beckmannshagen: In der Tat sind Heizungsinstallateure derzeit schwer zu bekommen, teils muss man mit bis zu sechs Monaten Vorlauf rechnen. Und auch für andere wichtige Bereiche der energetischen Modernisierung fehlen im Handwerk gut ausgebildete Kräfte. Das stellt eine riesige Herausforderung dar und bremst die Energiewende aus.

 

Was muss passieren? 

Beckmannshagen: Hamburg hat bereits eine Qualifizierungsoffensive für das Handwerk eingeleitet. Handwerkskammer, Berufsschulen und Behörde tauschen sich an einem runden Tisch aus, um beispielsweise zu erörtern, wie wieder mehr junge Menschen in die handwerklichen Berufe kommen. Das ist ein erster Schritt, bis zu einer Entspannung der Situation wird es aber noch dauern. 

 

Knapp sind auch Baustoffe. Hat sich die Lage hier bereits gebessert?

Beckmannshagen: Teilweise ja. Holz ist aber nach wie schwer zu bekommen, gleiches gilt für einige Dämmstoffe und Halbleiter, letztere werden unter anderem für Heizungsanlagen benötigt. Die Verknappung geht mit einer starken Preissteigerung einher und auch Handwerker berechnen mehr für ihre Leistungen. Wir hören von Eigentümern in letzter Zeit oft, dass die Modernisierung spürbar teurer ausgefallen sei als erwartet.

 

Brauchen wir mehr staatliche Förderung, wenn die Preise für die energetische Sanierung weiter anziehen?

Beckmannshagen: Das wäre wünschenswert. Für viele Eigentümer sind die finanziellen Lasten einfach zu groß, dieses Problem verschärfen die steigenden Kosten für Baumaterialien und Handwerker derzeit weiter. Wenn der Gebäudebestand schnell ertüchtigt werden soll, benötigen wir mehr Anreize. Vor wenigen Wochen endete das KfW-Förderprogramm Effizienzhaus 55. Solche freiwerdenden Mittel aus dem Neubaubereich könnten in Programme für die Ertüchtigung im Bestand fließen.

 

Also sollte man besser abwarten, statt sofort die Fassadendämmung, ein neues Dach oder eine Solaranlage zu bestellen?

Beckmannshagen: Dazu würde ich nicht raten. Vor der Sanierung sollte ohnehin eine ausführliche Beratung stehen, denn oft lohnt es sich, verschiedene Maßnahmen zu kombinieren. Und wer rechtzeitig Angebote einholt, kann unter Umständen zwischen zwei oder drei Handwerkern wählen. Im Sommer wollen alle modernisieren, dann sind die Betriebe meist rasch ausgelastet und unterm Strich wird es so eher teurer.

 

 

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